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report SCHWEIZ
HORIZONT 26/2020
D
von Blick und Bild auferlegen, massiv
in Video investieren. Doch bei allem
scheinbaren Gleichklang: Das Ziel von
Blick TV und Bild Live mag dasselbe
sein, in der Herangehensweise unterscheiden sie sich. Ein Fazit, welche die
erfolgreichere Strategie ist, lässt sich
zum jetzigen Zeitpunkt freilich nicht
abschließend ziehen. Zu frisch am
Start sind die Angebote, die Phase des
Experimentierens hält an und Corona tat ein Übriges, um jeden Versuch
eines Regelbetriebs zu torpedieren.
HORIZONT stellt die beiden Bewegtbildangebote nebeneinander. In welchen Punkten sind Blick TV und Bild
Live vergleichbar, wo unterscheiden
sie sich, wie ist die Resonanz? Eines
zeigt sich schon: Beide Angebote traten an, das Rad neu zu erfinden, die
Gesetzmäßigkeiten der TV-Welt aber
können auch sie nicht ignorieren.
Sowohl Ringier als auch Axel Springer
haben ihre Boulevardmarken um
ein Bewegtbildangebot erweitert.
Das Ziel eint sie, nicht jedoch der Weg
ie Gründe, weshalb Ringier
und Axel Springer bei ihren
Boulevardmarken
Blick und Bild auf eine Bewegtbild-Strategie setzen, sind schnell
erzählt: Es liegt am gestiegenen Bedürfnis der Nutzer nach audiovisuellen Informationen, an der Nachfrage
von Werbungtreibenden, digital im
Bewegtbild zu werben, und an der
Notwendigkeit der Medien, relevant
zu bleiben sowie neue Erlösquellen
aufzuspüren. Auch das ist heutzutage
eher im Digitalen möglich und setzt
voraus, die Verweildauer der Nutzer
auf der Webseite zu maximieren, sie an
die Marke zu binden. So erklärt sich,
warum beide Häuser trotz aller Sparmaßnahmen, die sie den Redaktionen
Endlosschleife mit permanent
aktualisierten Nachrichten
Breaking News, kombiniert
mit zahlreichen Formaten
D
a ist zunächst einmal die Untertitelung. Eine prima Sache,
eigentlich. Zum Beispiel,
wenn man ohne Kopfhörer unterwegs
ist, Schweizerdeutsch schwer versteht
oder auf barrierefreie Angebote angewiesen ist. Aber nicht ohne Grund notiert Blick TV immer wieder: Inhalt
wird live untertitelt. Erkennungsfehler
möglich. Die paar Zeilen Text geben
oft nur einen Teil des Gesagten wieder,
passen selten zum Bild und verschwinden oft schneller, als es braucht, sie zu
lesen. Witze darüber wurden genug
gerissen. Lassen wir also dieses Detail
und gehen es systematisch an.
Im April 2019 kündigte Ringier
Blick TV an. Am 17. Februar ging es an
den Start, als erster digitaler TV-Sender der Schweiz mit täglich 17 Stunden Programm ab morgens um 6 Uhr.
Kooperationspartner für internationale Nachrichten ist CNN, von dem
täglich bis zu 30 Beiträge und bei Bedarf das Live-Signal übernommen
werden können. Als Vorbilder für
Blick TV nannte der vom SRF (Arena) geholte Chefredakteur Jonas Projer OE24 und Expressen TV.
48 Mitarbeiter zählt das Blick-TVeigene Team, die sechs Moderatoren
arbeiteten zuvor im Radio, bei Tele
Züri, dem SRF oder als Influencer. Gesendet wird aus zwei virtuellen Studios, eines davon ist in den BlickNewsroom integriert. Fixe Formate
gibt es wenige: die Sportsendung Am
Ball mit Böni, ansonsten Branded
Content (Was kostet dein Traum?
mit Financescout24, Einfach Digital
mit PostFinance). Kern des Programms ist eine sich alle 15 Minuten
wiederholende Schleife aus permanent aktualisierten Nachrichtenbeiträgen von je 2 bis 3 Minuten Länge.
Sie werden anschließend in die thematisch entsprechenden Online-Textbeiträge integriert. Insgesamt mutet das
Programm weniger boulevardesk an,
als es die Marke erwarten ließe. Nach
den Anschlägen im deutschen Hanau
schrieb die NZZ, ohne das eingeblendete Logo hätte man sich glatt beim
SRF wähnen können.
Im Schnitt verweilt der Nutzer laut
Ringier 4:30 Minuten bei Blick TV. Pro
Tag würden über Webseite und App
100000 Live-Views erzielt. Nach dem
Klick erscheinen meist 30 Sekunden
lange Pre-Rolls. Die Vermarktung liegt
bei Admeira.
Matthias Künzler, Professor am Institut für Multimedia Production an
der Fachhochschule Graubünden,
fühlt sich von Blick TV an US-Morgenshows erinnert. Als nützlich bezeichnet er kleine Innovationen wie
die, dass sich das Bild quer wie hochkant nutzen lässt und jedem Screen
anpasst. Da Blick TV dem Trend zu
mobil basiertem Bewegtbild folge,
schätzt er die Chance, dass es positiv
zur Marke Blick beiträgt, als gross ein.
Punkt 23 Uhr, wenn das Programm
endet, sendet Blick TV übrigens von
Nutzern eingesandte Slow-MotionVideos. Der erste digitale TV-Sender
der Schweiz erinnert damit ausgerechnet an eine Zeit, als es im linearen
Fernsehen den Sendeschluss gab. USI
FOTO: NIELS STARNICK / BILD
FOTO: BLICK TV
In rot-silberner Kulisse: Damian Betschart und Lena Wilczek im virtuellen Studio von Blick TV
ILLUSTRATION: JAMES THEW / FOTOLIA
Blick TV
versus
Bild Live
Von Ulrike Simon
In blau-roter Kulisse: Bild-Redakteurin Nele Würzbach im neuen, virtuellen Studio von Bild Live
D
er Seitenhieb ist offenkundig.
Er gilt der ARD, die ihre Talkshow Anne Will bis September in die Sommerpause geschickt hat.
Also sendet sonntags um 21.45 Uhr
Bild Live seit dieser Woche Die richtigen Fragen. Zur Premiere kamen
Gäste, die ebenso bei Anne Will hätten
sitzen können. Es ging um den Corona-Ausbruch bei der Schlachterei Tönnies und in der letzten Viertelstunde
um die Randale in Stuttgart die aktuellsten Themen der Woche.
Im Herbst kündigte Axel Springer
Bewegtbild als strategisch wichtiges
Investment für seine Boulevardmarke
an. Mit Videos experimentiert hatte
Bild schon zuvor und sich mangels
Rundfunklizenz eine Klage eingefangen. Als sie im Februar erteilt wurde,
ging es Schlag auf Schlag. Zu sehen ist
Bild Live auf Facebook, Youtube, Waipu.tv, der Bild-App und Bild.de. Bild
Live sendet, wann immer Bild Live es
für geboten hält: bei Breaking News,
wenn sich ein Gesprächspartner aus
der Politik einfindet oder es Chefredakteur Julian Reichelt danach ist.
Einen eigenen Chef hat Bild Live nicht.
Mit Bild Daily gibt es eine NewsSendung, aber nicht in Endlosschleife,
stattdessen zahlreiche Formate: den
Fußball-Talk Reif ist Live mit Marcel
Reif und Sponsor Müller Milch, das
People-Format Place to B, das Verbrauchermagazin Sparfochs mit
Frank Ochse, den Frauen-Talk Jetzt
reden 4, Klartext (mit Sigmar Gabriel und Wolfgang Bosbach) sowie
bald hinter der Paywall die Bundes-
liga-Highlights, mit Mehmet Scholl als
Experte. Sat 1 orderte zuletzt für mehrere Wochen ein tägliches Bild Corona Spezial. Unfreiwillig populär wurde das Koch-Format mit Johann Lafer.
Die dort als Gast geladene Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner will erst hinterher erfahren haben, dass Billigfleisch
aus Stallhaltung verkocht und die Sendung von der Supermarktkette Kaufland gesponsert wurde.
Heftige Kritik zogen Ende Februar
wilde Spekulationen zu den Motiven
der Morde in Hanau nach sich. Die für
die Programmaufsicht zuständige Medienanstalt MABB bestätigt, dass seit
Beginn der Sendelizenz zwei Beschwerden eingingen: Einmal sei der
Opferschutz, das andere Mal die Sorgfaltspflicht verletzt worden. Beide hätten sich als unbegründet erwiesen.
Einfach machen, so schien anfangs
das Konzept von Bild Live zu lauten. So
sah es auch aus. Die Optik erinnerte an
eine
blinkende
Schweinebauchanzeige. Das hat sich geändert. Auch
wirken nicht mehr alle moderierenden
Bild-Redakteure ungelenk. Sie wurden
oder werden geschult. Seit wenigen Tagen wird aus zwei neuen, virtuellen
Studios gesendet. Dabei berieten Hans
Mahr, ehemals RTL, und Duncan
Boothby, ehemals PR-Berater der USArmee. Boothby rede gern über den
Krieg, schrieb der Spiegel einmal. Das
eint ihn mit Reichelt, der, wie man
weiss, auf seinem Feldbett im Büro Nickerchen macht und im Zweifel auch
nachts vor die Kamera tritt.
USI
25. Juni 2020
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