12 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 25. Juni 2020 FOTO: PLUTO TV Mit einem Gratis-Modell will Pluto TV ein Stück vom Schweizer Video-on-Demand-Kuchen ergattern. Ein schwieriges Projekt Stream me up, Scotty Von Uwe Förster J ede Krise hat ihre Profiteure. In Zeiten von Covid-19 gehören Video-onDemand-(VoD-)Dienste dazu. Aber auch in einer Nach-Corona-Ära dürfte der Markt insgesamt weiterhin wachsen. Angesichts eines zunehmenden Wettbewerbs ist nur die Frage, welche Player mit welchem Geschäftsmodell am besten abschneiden. Pluto TV versucht es in der deutschsprachigen Schweiz mit Advertising Video-on-Demand (AvoD). Der Streaming-Dienst ist seit September 2019 in der Schweiz aktiv. Der USMedienkonzern Viacom (Paramount Pictures, Nickelodeon, MTV) hatte ihn Anfang vergangenen Jahres für umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro gekauft. Ende 2019 erfolgte der Zusammenschluss von Viacom mit dem Fernsehnetzwerk CBS (Pay-TV-Sender Showtime, Streaming-Dienst CBS All Access) zu Viacom CBS. Der Konzern ist mit Pluto TV aktuell ausser in der Schweiz in Deutschland, Österreich, den USA, Lateinamerika und Grossbritannien am Markt. Laut Olivier Jollet, Managing Director Pluto TV Europe, hat das kostenlose werbefinanzierte Angebot insgesamt mehr als 24 Millionen Zuschauer. Die Zahl der Nutzer in einzelnen Ländern will er aber nicht nennen. In der DACH-Region sind es offenbar nicht genügend, denn dort stehen die Signale auf Reichweitenerhöhung. Mitte Mai startete die Werbekampagne Zapp rein (Kreation: Dojo, Media: Crossmedia) mit TV-Spots, Pre-Rolls und Bannern sowie Social Media Ads. Pluto TVs Ziel ist es, den ganzen Planeten zu unterhalten, sagt Jollet. Um diesen ambitionierten Plan zu erfüllen, deckt der Dienst, der zum Beispiel via Amazons Fire TV sowie als Android- und iOS-App verfügbar ist, Genres von Entertainment über Reality-TV bis hin zu Kri- Replay-TV Diese Form des zeitversetzten Fernsehens ermöglicht es Zuschauern, sich im Nachhinein Sendungen anzusehen, die sie nicht zuvor bestimmen und aufnehmen mussten, und dabei die Werbung zu überspringen. Die Sender frei empfangbarer Programme erhalten dafür von den Nutzern eine Urheberrechtsentschädigung. Diese Entschädigung ist im Gemeinsamen Tarif 12 (GT 12) geregelt, von den Verwertungsgesellschaften und den Nutzerverbänden ausgehandelt und von der Eidgenössischen Schiedskommission für Urheberrechte genehmigt. mis ab. Das deutschsprachige Programmportfolio umfasst inzwischen mehr als 75 Sender. Die verschiedenen Kanäle sind auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten und zeigen eine festgelegte Programmabfolge, erläutert Jollet. Schweizer Inhalte seien in der Programmplanung berücksichtigt. Die Chancen für werbefinanzierte Angebote, sich dauerhaft in der Schweiz zu behaupten, stehen nach Meinung Jollets gut. Erstens würden die Schweizer das Modell werbefinanzierter Videounterhaltung kennen und akzeptieren, zweitens würden auch in der einkommensstarken Schweiz die meisten Zuschauer davon absehen, mehr als zwei oder drei VoD-Abos abzuschliessen. Nicht total schmerzbefreit Tatsächlich sollte gerade in der Schweiz ein kostenloses VoD-Angebot auf das Interesse preissensibler Konsumenten stossen. Allein die Rundfunkgebühren betragen 365 Franken, umgerechnet knapp 340 Euro pro Jahr. Hinzu kommen meist die Kosten für ein TV-Abonnement. Der Online-Vergleichsdienst Moneyland.ch stellte im Herbst 2019 fest, dass Verbraucher, die sich beliebte Sender in HD-Qualität mit Replay-TV (siehe Kasten) wünschen, für eine TV-Internet-Kombi beim Anbieter Swisscom im ersten Jahr 1050 Euro berappen mussten. Das Basis-Abo für Netflix (SD-Auflösung, zeitgleich nur auf einem Gerät konsumierbar) in der Schweiz kostete zuletzt 11,90 Franken pro Monat, das sind 132 Euro im Jahr. In Deutschland wäre einer Umfrage des Demand-Side-Platform-Anbieters The Trade Desk zufolge allein mit solch einem Netflix-Abo für 83 Prozent der Nutzer von Streaming-Diensten schon beinahe die Abokosten-Schmerzgrenze von 20 Euro/Monat erreicht. Auch in der Schweiz ist dahingehend nicht unendlich Luft nach oben. Die Schweizer Haushal- Netflix hat die meisten zahlenden Kunden Covid-19 verschafft VoD Rückenwind Populärste Video-Steaming-Dienste in der Schweiz Zunahme der Nutzung von SVoD- und AVoD-Streaming-Diensten Streaming-Dienst kostenpflichtige Nutzung Gratis-Nutzung via Login von Freunden und Kollegen Nutzung von Gratis-Version Youtube 2,7 3,1 59,5 Netflix 30,0 10,2 4,4 Swisscom 10,7 2,0 4,8 3,8 0,9 9,5 Apple Google Play 1,2 1,1 9,8 UPC 3,4 1,0 3,0 Amazon 2,4 1,5 3,4 Teleclub Play 2,9 1,0 1,8 Sunrise 1,9 1,0 2,0 Sky Sports 2,4 0,9 1,2 DAZN 1,3 1,0 1,7 Sky Show 1,1 0,9 1,3 Replay-TV als Bremse Zudem dürften die besonderen Bedingungen des Schweizer Marktes Pluto TV zu schaffen machen. Denn dem Anbieter stellt sich mit Replay-TV ein weiteres Problem. Viele Schweizer nutzen ein TVAbo mit Replay-Funktion, sagt Ralf Beyeler, Telekom-Experte beim Vergleichsdienst Moneyland. Sie können damit auf Tausende von Sendungen der letzten sieben Tage zugreifen. Eine starke Konkurrenz, wie er meint. Bestätigung bekommt er von Alex Beerli, Director Partner & Product Management bei Goldbach Audience: Der Trend geht dahin, dass man lineares TV mit der ReplayFunktion und einer Box hat und zusätzlich ein, zwei VoD-Abos, sei es Netflix, sei es Disney+ oder beispielsweise die Sportangebote von Sky. Die Anbieter werden schauen, dass die eigenen exklusiven Produktionen auch nur über diese Kanäle konsumiert werden können. Mediaexperte Prezzi bezeichnet Replay-TV als Hauptargument aller Schweizer OTTAnbieter für ihre Premium-Abos. Auch bei den IPTV-Bundles der Kabelnetzund Telekomanbieter, die Replay-TV zusammen mit Internet und Telefonie offerieren, sei die zeitversetzte TV-Nutzung ein wichtiges Verkaufsargument. Diese Service-Bundles mit sieben Tagen Replay zusammen mit den Speichermöglichkeiten 30 Tage oder 365 Tage und einfacher One-Click-Handhabung für die Speicherung von ganzen Staffeln kommen einem VoD-Angebot schon sehr nahe. Dies reicht vielen kostenbewussten Haushalten vollkommen. Viele von ihnen können daher auf ein Netflix- und Disney+-Abo gut verzichten, aber eben auch auf eine AVoD-Alternative. Zu allem Überfluss haben sich jüngst Verwertungsgesellschaften sowie der Kabelnetzbetreiber-Verband Suissedigital und der Streaming-Anbieter-Verband Swissstream darauf verständigt, die Speicherdauer für TV-Programme von sieben auf 14 Tage zu verlängern. Die Regelung soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Damit würde sich das im Replay-TV zur Verfügung stehende Programmangebot dem Prinzip nach verdoppeln. Noch ein Grund mehr, VoD-Angebote links liegen zu lassen. Netflix schlägt Konkurrenz medial um Längen Angaben in Prozent Resonanz ausgewählter Streaming-Dienst-Anbieter in deutschsprachigen Medien 517 VoD-Anbieter Reichweite in Mrd. Kontakten Netflix Nutzung SVoD Nutzung AVoD 25,09 TV Now 11,22 Amazon Prime 251 269 248 199 118 100 02. März 97 09. März 165 187 199 Sky Joyn 129 16. März Apple TV+ 23. März Anm.: Auswertung von First-Party-Daten der 4 Millionen Nutzer der US-Streaming-Suchmaschine Reelgood während sechs Wochen Quelle: moneyland.ch Quelle: Reelgood 7,54 6,24 Disney+ 161 Anm.: Angaben der Nutzung in Prozent der Gesamtbevölkerung (1874 Jahre); n =1500 HORIZONT 26/2020 te sind bezüglich Entertainment-Ausgaben nicht allzu geizig, sagt Sandro Prezzi, Geschäftsführer der Beratungsagentur PMC Prezzi Media. Ob aber insgesamt deutlich mehr als 30 Prozent der Haushalte bereit sind, zusätzlich zu ihren Internet/Telefonie/IPTV-Abos von um 1000 Franken pro Jahr nochmals 200 bis 500 Franken für eines oder mehrere zusätzliche VoD-Angebote auszugegeben, ist offen. Allerdings geniesst Pluto TV mit seinem AVoD-Modell jenseits von Youtube kein Alleinstellungsmerkmal. Abgesehen davon, dass der Dienst nicht mit der Qualität seiner Inhalte hervorsticht und viele davon nur linear verfügbar sind. Da ist zum Beispiel das bereits bekannte und zur Schweizer Video Solutions AG gehörende Streaming-Portal Watch4. Anfang des Jahres wurde das AVoD-Filmarchiv Popcorntimes lanciert, und Rakuten TV bietet ausser klassischem VoD auch AVoD. Dabei wird es wohl nicht bleiben. Auf dem VoD-Markt nimmt einerseits der Preisdruck zu, andererseits müssen hohe Investitionen in Eigenproduktionen fliessen, auch weil die Lizenzpolitik der Wettbewerber restriktiver wird, so etwa die von Disney+ gegenüber Netflix. Die Folgen hat Jim ONeill, damals noch Analyst bei Ooyala, einem Optimierer von Video-Workflows, bereits Anfang 2019 beschrieben: Es besteht die Gefahr, dass sich einzelne Unternehmen durch hohe Produktionsausgaben für eigene Inhalte finanziell übernehmen. Um das zu vermeiden, werden sie neue Geschäftsmodelle suchen und umsetzen. AVoD kann eines davon sein. 30. März 06. April 13. April HORIZONT 26/2020 3,19 1,28 0,63 Anm.: Untersuchungszeitraum 28. April bis 7. Juni 2020; Auswertung von 26 000 Zeitungs- und Zeitschriften-Artikeln und 210 000 User-Beiträgen, Blogposts, Tweets und Newsbeiträgen in vorwiegend deutschen und ausgewählten Schweizer und österreichischen Medien (insgesamt 7300 Print-Titel, circa 13 300 Online-Newsportale sowie Social-Media-Plattformen) HORIZONT 26/2020 Quelle: Landau Media report HORIZONT 26 / 2020 25. JUNI 2020 s z c h w i e Auswirkungen von Corona / Clear Channel / Effie-Sieger 2 report SCHWEIZ ZUM THEMA Ausser Plan Was haben wir zu Beginn des Jahres alles für Prognosen für die Branche entworfen. Überall war so etwas wie gespannte Zuversicht zu spüren. Klar, vieles in der Branche würde noch etwas digitalisierter, noch programmatischer, noch ein bisschen komplexer werde 4 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 Es bleibt diesig Covid-19 hat die Branche fest im Griff. Doch wie geht es nun weiter? Wir haben Schweizer Topentscheider um ihre Einschätzungen gebeten. Hier kommt eine Auswahl Von Beat Hürlimann, Uwe Förster und Michael Reidel 2. Um das Geschäft wieder anzuku 6 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 Neukunden gewonnen 2020 wird kein Rekordjahr Seta Thakur, Leiterin Unternehmenskommunikation NZZ-Mediengruppe Roman Hirsbrunner, CEO von Jung von Matt/Limmat 1. Hierzu verweisen wir auf die grundsätzliche Aussage des Verbands Schweizer Medien (VSM): Der Verl HORIZONT 26/2020 report SCHWEIZ 7 Tiefe Spuren 25. Juni 2020 Der Lockdown wirkt sich massiv auf die Investitionen der Werbeauftraggeber aus. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des SWA ren. Immerhin sagen die Umfrageteilnehmer, dass viele Medienvermarkter kulant und flexibel reagiert haben. Erfreuli 8 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 FOTO: SCREENFORCE / OSKAR MOYANO 2020 hätte es noch schöner werden sollen als 2019. Doch dann kam Corona und der Screenforce Day musste ausfallen Den nächsten Screenforce Day gibt es in der Schweiz erst 2021. Events im Herbst und eine Web-Reihe sollen deswegen 10 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 D von Blick und Bild auferlegen, massiv in Video investieren. Doch bei allem scheinbaren Gleichklang: Das Ziel von Blick TV und Bild Live mag dasselbe sein, in der Herangehensweise unterscheiden sie sich. Ein Fazit, welche die erfolgreichere Strategie ist, läss 12 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 25. Juni 2020 FOTO: PLUTO TV Mit einem Gratis-Modell will Pluto TV ein Stück vom Schweizer Video-on-Demand-Kuchen ergattern. Ein schwieriges Projekt Stream me up, Scotty Von Uwe Förster J ede Krise hat ihre Profiteure. In Zeiten von Covid-19 gehören Video-o 14 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 25. Juni 2020 FOTO: BEAT C. HÜRLIMANN Clear Channel investiert in die Zukunft und in die Digitalisierung Traditionell auf Papier gedrucktes PlakateTrio an der Sihltalstrasse zwischen Zürich und Zug mit Willkommensgruss Welcome Back! Von Beat C. Hürlimann A HORIZONT 26/2020 report SCHWEIZ 15 25. Juni 2020 Mehr Qualität, mehr Sicherheit IAB Switzerland lanciert erstmals Qualitätszertifikate für Suchmaschinenagenturen. Was bedeutet das? Andrej Voina arbeitet als Content Specialist für die Semsea Suchmaschinenmarketing AG. F Die Organisation Die IA 16 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 sammenspiel von künstlicher und menschlicher Intelligenz aussieht. Die KI liefert uns Entscheidungsvorlagen, die wir gegeneinander abwägen. Soll heissen: Der Algorithmus darf mir gerne verraten, welcher Blumenhändler in meiner Nähe die schönsten Rosen zum besten HORIZONT 26/2020 report SCHWEIZ 17 25. Juni 2020 Vier goldene Effies LSA feiert die Gewinner am 30. Juni mit einer virtuellen Gala Von Bärbel Unckrich Schweden und die Schweiz werden häufig miteinander verwechselt nicht nur, weil sie die gleichen Anfangsbuchstaben teilen, sondern auch, weil bei 18 report SCHWEIZ HORIZONT 26/2020 25. Juni 2020 Die Besten ihrer Zunft Goldbach und 20 Minuten gewinnen den HORIZONT Medien Award 2020 Am dritthäufigsten werden die elektronischen Medien beurteilt. 270 Noten haben sie erhalten. Dies sind 21 mehr als 2019. Admeira hat es auf 241 Nennungen gebra HORIZONT 26/2020 report SCHWEIZ 19 25. Juni 2020 2016 war die grosse Periode der APG mit drei Siegen. Alle mit sehr hohen Noten über der Marke 8.0, die seitdem nie mehr auch nur annähernd erreicht wurde. Zuvor, in den Jahren 2011 bis 2013, war die Periode von 20 Minuten. Ebenfalls mit drei Siegen